Verbraucherdarlehensverträge – Rückkehr des „Widerrufsjokers“?

Auch abseits der Corona-Krise gibt es dieser Tage bedeutende Entwicklungen. Zuletzt hat der EuGH durch seine Entscheidung vom 26.03.2020 ein juristisches Beben ausgelöst und potenziell Tür und Tor für eine Rückkehr des in den vergangenen Jahren erblassten „Widerrufsjokers“ geöffnet.

Was das für Sie bedeutet und was Sie jetzt unternehmen sollten, erklären wir in diesem Artikel.

Was ist der „Widerrufsjoker“?

Als Widerrufsjoker wird in der Berichterstattung die Möglichkeit bezeichnet, einen Darlehensvertrag auch viele Jahre nach dem Abschluss noch zu widerrufen.

Warum ist das relevant?

Grundsätzlich räumt das Gesetz bei Verbraucherdarlehensverträgen dem Darlehensnehmer ein 14-tägiges Widerrufsrecht ein. Das bedeutet, dass ein Widerruf des Darlehensvertrages nach mehreren Monaten oder Jahren eigentlich nicht möglich sein dürfte.

Greift aber der Widerrufsjoker, beginnt diese Frist nie zu laufen und der Darlehensnehmer hat quasi ein „ewiges Widerrufsrecht“.

Wie funktioniert der Widerrufsjoker?

Das Gesetz stellt bestimmte Anforderungen an den Beginn der 14-tägigen Widerrufsfrist. Insbesondere muss der Verbraucher eine richtige Widerrufsbelehrung erhalten. Diese muss wiederrum bestimmte Pflichtangaben enthalten.

Ist nun eine derartige Widerrufsbelehrung unklar, unrichtig oder unvollständig formuliert, kann dies zu dem oben beschriebenen, ewigen Widerrufsrecht führen.

In der Vergangenheit ist dies bereits mehrfach geschehen, jedoch wurde der Widerrufsjoker für die zuletzt betroffenen Darlehensverträge durch die „Übergangsvorschrift zum Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften“ mit Wirkung zum 21. Juni 2016 abgeschafft und galt seither als „tot“.

Was hat der EuGH jetzt entschieden?

In seinem vor kurzem ergangenen Urteil hat der EuGH nunmehr zunächst festgestellt, dass eine häufig gewählte Formulierung in Widerrufsbelehrungen gegen die Verbraucherkreditrichtlinie der europäischen Union verstößt.

Ausgangspunkt war dabei folgende Klausel:

Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB (z.B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat.“

Das Gericht beanstandete, dass die gewählte Formulierung Verbrauchern nicht „in klarer und prägnanter Form die Modalitäten für die Berechnung der Widerrufsfrist“ darlege. Der bloße Verweis auf eine nationale Vorschrift ist demnach hierzu nicht ausreichend, weil die genannte Vorschrift selbst noch auf weitere Vorschriften des EGBGB verweist.

Was bedeutet das für mich als Darlehensnehmer?

Haben Sie im Zeitraum vom 11.06.2010 bis heute einen Verbraucherdarlehensvertrag abgeschlossen, besteht eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich die entsprechende Formulierung in Ihrem Vertrag findet.

Für Sie kann das ein Einfallstor zu einem zuvor beschriebenen ewigen Widerrufsrecht sein.

Noch ist die Entscheidung des EuGHs allerdings mit Vorsicht zu genießen. Denn diese Formulierung findet sich so auch in der gesetzlich vorgeschlagenen Musterwiderrufsbelehrung. Soweit die Banken jedoch die gesetzliche Musterwiderrufsbelehrung eingehalten haben, genießen Sie grds. den sogenannten „Musterschutz“.

Wie die nationale Rechtsprechung diese Kollision zwischen Musterschutz und EuGH-Rechtsprechung auflösen wird, bleibt abzuwarten.

Welche Vorteile hätte ein Vertragswiderruf für mich?

Durch die Ausübung eines Widerrufsrechts sind Sie als Darlehensnehmer zunächst einmal verpflichtet, das erhaltene Darlehen zurückzuerstatten. Gleichzeitig ist jedoch auch die Bank verpflichtet, Ihnen alle bisher gezahlten Tilgungsbeträge und Zinsen zurückzuzahlen.

Für Sie kann das also eine Möglichkeit sein, einen alten Vertrag mit recht hohem Zinsniveau noch vor Ablauf der Vertragslaufzeit aufzulösen und einen neuen, zinsgünstigeren Kredit zu finden.

Allerdings muss auch hier abgewartet werden, welche Rückabwicklungsmodalitäten die deutschen Gerichte entwickeln.

Wir behalten die Entwicklung selbstverständlich für Sie im Auge und informieren Sie über aktuelle Rechtsprechungstendenzen!

Sie wünschen eine Prüfung Ihres Darlehensvertrages oder möchten von Ihrem Widerrufsrecht Gebrauch machen?

Unser Team von Bosslet & Spiegel ist für Sie der richtige Ansprechpartner! Nehmen Sie mit uns Kontakt auf.